Wie ein VW-Golf entsteht
 
Die  in diesem Jahr von Lothar Quaas und Jürgen Stadermann  organisierte Tagesfahrt startete pünktlich vom Vereinshaus nach Wolfsburg. Vorher machten wir einen Zwischenstopp in Fallersleben, im urigen Brauhaus nahe dem Wasserschloss der Welfen-Herzogin Clara. Hier gab es ein schmackhaftes Mittagessen mit einem eben solchen Bier. Wir waren ja schließlich in einem Brauhaus. Nach einigen Umwegen, weil die Technik (Navigation) versagte oder wahrscheinlich nicht richtig bedient worden war, erreichten wir dann etwas verspätet am frühen Nachmittag das VW-Werk Wolfsburg. Mit dem Bus konnten wir zwar auf das Werksgelände fahren, mussten dann aber auf kleine, 15 Personen fassende offene Wagen umsteigen. Immer zwei Wagen wurden von einem Golf-Kabrio gezogen. Mit diesem Gefährt ging es in einem 80-minütigen Zick-Zack-Kurs durch die riesigen Produktionshallen.
 
 

Zum Anfang bekamen wir eine beeindruckende Darbietung des geisterhaft tanzenden Roboterballetts, das im 50-Sekundentakt greifend, drehend und funkensprühend aus 600 Teilen eine perfekte Karosserie zusammensetzen. Wobei die Bewegungsschritte auf 10-tel mm genau programmiert sind. Vorher müssen diese Teile mittels großer Pressen (Werkzeuge) aus verzinktem Stahlblech, mit Materialstärken zwischen 0,6 und 2,5 Millimetern und 35 verschiedene Stahlsorten unterschiedlicher Härte, mit Wärme und sanftem Pressdruck von bis zu 7.700 Tonnen in perfekte Formen heraus gestanzt und verformt werden. Die fertigen Bleche werden mittels Saugnäpfe aus den Formen gehoben und zur Seite gelegt. Mitarbeiter beurteilen jedes Karosserieteil optisch und kritisch, wobei sie zusätzlich und stichprobenartig Teile mit dem jeweiligen Musterteil vergleichen. Maße und Optik müssen stimmen. Jeden Tag wird die gewaltige Menge von 2,6 Tonnen Stahl verarbeitet, wobei auch sehr hochwertige Stahllegierungen mit Anteilen von Mangan und Bor verwendet werden. Jedes Teil wird, wenn es nicht sofort zur Verwendung kommt zwischengelagert und später dann automatisch und zeitgenau zum Verarbeitungsort transportiert. Auf unserer Fahrt durch die Produktionsanlage begegnen uns von allen Seiten unzählige Fahrzeuge, teils auch selbstfahrend und beladen mit den verschiedensten Teilen. Dazwischen Werksangehörige auf Fahrrädern, die schnell mal zu einem bestimmten Punkt der Fertigungslinien müssen. Aber auch über unseren Köpfen werden an langen Laufbändern Karosserieteile zum nächsten Verarbeitungspunkt befördert.
Von jedem Punkt unserer Werksführung können wir das Wachsen der Karosserie verfolgen. Schon ist die Bodengruppe des Fahrzeuges aus drei Teilen (Boden vorne, Boden Mitte, Boden hinten) fertig. Die Teile wurden parallel gefertigt und jetzt in Konzernframern zusammengesetzt. ("Konzernframer" – ist ein Montagegerät, das schon auf dem Modularen Produktionsbaukasten (MPB) basiert) Seitenteile, Kotflügel, Front- und Heckteile folgen. Die so aufgebaute Karosserie schwebt jetzt ins Anbauteilezentrum. Aus den Seitenstraßen schweben Innenbleche, Klappen und Deckel mit Schlossbefestigungen, Versteifungen und Fensterrahmen heran. Sind sie an- und eingebaut, erfolgt eine weitere Qualitätskontrolle. Viele Augen prüfen und erkennen minimalste abweichende Spaltmaße. Unter künstlichen Tageslicht muss jede Karosserie den prüfenden Blicken und tastenden Händen standhalten. Ist alles makellos, ist das Auto aber immer noch nicht fertig. Es fehlt ihm der entscheidende Teil, es kann nicht rollen oder gar selbst fahren, hat keine Fenster, keine Armaturen, keine Sitze und auch sonst fehlt ihm die gesamte spezielle Innenausstattung in der vom Kunden gewünschten Variante. Es ist grau und schmucklos. Doch jetzt geht es erst einmal mittels Rollbahn in die Lackiererei. Dort erhält das Blech die schützende Haut gegen Sonne, Wind und Regen. Bevor die Karosse in ein Glanzstück verwandelt wird, muss sie erst einmal baden gehen. Zehn Mal wird sie getaucht, denn Schmierstoffe, Öle und Fette aus der Produktion müssen 100-prozentig entfernt sein, erst dann beginnt die weitere Blechbehandlung. Zwar ist das verarbeitete Blech verzinkt, doch könnten kleinste Kratzer die Beschichtung zunichtemachen. Darum erhält die Karosserie eine neue Lage Zinkphosphatpaste. Dann geht sie nochmals baden. Die Zinkphosphatpaste schützt nicht nur das Blech vor Korrosion, sondern bildet auch gleichzeitig einen Haftgrund für die Lacke. Handling Roboter öffnen Türen, Haube und Deckel. Lackierroboter spritzen die Farbschichten bis in die engsten Winkel der Karosse. Die Haut eines Golfs besteht aus fünf Schichten. Zuunterst die Zinkphosphat-Beschichtung, darauf die kathodische Tauchlackierung, der Füllschicht, der gewünschte Decklack und schließlich der schützende Klarlack. Um all diese Schichten hauchdünn auftragen zu können wird die Karosserie beim letzten Tauchgang elektrisch negativ aufgeladen. Dadurch können die positiv geladenen Lackpartikel besser haften. Jeder Lackierungswunsch wird hier ausgeführt. Jetzt muss die Karosserie schwitzen. Mittels Wärme beim Trocknungsprozess härtet der Lack dauerhaft aus. Danach wird die lackierte Karosserie sehr kritisch geprüft und auf Schäden oder Mängel untersucht. Wenn danach die Karosserie aus der Lackiererei schwebt, haben 1.900 Mitarbeiter und 232 Roboter eine perfekte Haut hergestellt. Ob auch das Lackierergebnis makellos ist wird sich in einem Lichttunnel zeigen. Taghell und ohne Schattenwurf können Qualitätsprüfer leicht Fehler erkennen. Ist auch dieses Prüfergebnis perfekt, folgt in einem letzten Arbeitsschritt eine Hohlraumversiegelung mit Heißwachs. Jetzt kann das bunte Glanzstück in Richtung Fertigungsmontage entschweben. Auf einer Fertigungsstraße, die ständig in Bewegung ist, wird die Karosse verglast und alle Innenteile ein- und angebaut. Dazu werden ihr die vier Türen abgenommen, damit sie keinen Schaden nehmen, und schweben nach oben. Dort werden sie parallel zum Fahrzeug auf- und ausgebaut und kommen punktgenau wieder runter um angebaut zu werden. Jetzt bedarf es nur noch eines Fahrgestells. Dieses ist in der Zwischenzeit auf einer separaten Fertigungsstraße mit all seinen Komponenten, wie Motor, Getriebe, Antriebsachsen, Stoßdämpfer und Räder komplett fertiggestellt worden. Nun bewegen sich beide Teile, Karosserie und Fahrgestell im Fertigungsbereich auf einander zu. Dieser Vorgang wird im Werk "Hochzeit" genannt. Von oben kommt die fertige Karosserie und von untern das fertige Fahrgestell. Es dauert nur Sekunden und beide Teile sind miteinander verbunden. Fertig ist das Auto. Das Fahrzeug wird auf seine Räder gestellt, der Schlüssel steckt, den Motor an. Jetzt werden Sturz, Achsen, Spur und Scheinwerfer eingestellt, die elektronischen Assistenzsysteme getestet. Es folgt die Qualitätskontrolle bis ins letzte Detail. Ob Rüttelstrecke, Monsunregen, Sitzkontrolle, Kontrolle der Innenverarbeitung und Vollständigkeit, nichts bleibt verborgen. 45 Minuten lang dauert die Tortur, wenn dann alles den Vorgaben entspricht, wird ein weiteres, von täglich 3.820 gefertigten Autos, ausgeliefert.
Zum Abschluss unserer Werksbesichtigung hatten wir noch ausreichend Gelegenheit zu Fragen, die die Produktion betreffen. Aber auch aktuelle Gegenwartsprobleme um die gesamte Mobilität wurden nicht ausgelassen. auch der Blick in die Zukunft, wie wird unsere Mobilität sich weiter entwickeln. Wie sehen die Alternativen aus?

Dieter Rentz
Dem Bericht lagen selbstgefertigte Notizen während der Werksführung und Informationsmaterial des Besucherdienstes zugrunde. Dafür unseren Dank.

 
   

Fotoimpressionen von der Tagesfahrt nach Wolfsburg

 
Fallersleben „Altes Brauhaus“ / Bilder von Jürgen Stamm
 
Wolfsburg VW / Bilder von Jürgen Stamm